Andelfingen: Diskussion über Alpeninitiative in entspannter Atmosphäre

Unfreundlicher Akt oder richtiges Signal?

Auf Einladung des Komitees «Ja zur Alpeninitiative» sassen sich an der kontradiktorischen Diskussionsveranstaltung als Befürworterin der Initiative die grüne Nationalrätin Verena Diener und auf der Gegenseite Gerold Bührer, FDP-Nationalrat aus Schaffhausen gegenüber. Beide Diskussionsteilnehmer argumentierten sachlich und sattelfest.

(msc) Ein Diavortrag stand am Anfang der Veranstaltung, welche im gutbesetzten Löwensaal in Andelfingen vonstatten ging. Roland Brunner skizzierte kurz das Anliegen der Initianten, veranschaulicht durch Bildern von heiler Bergwelt, welche durch solche von strassendurchschnittenen Landschaften, mehrspurigen Autokolonnen und Kindern mit Atemschutzmaske kontrastiert wurden. Am 20. Februar gelangt die Initiative zur Abstimmung, welche zum Schutz des Alpengebietes vor Lärm, Abgasen und Gefahrenguttransporten den Transitverkehr auf die Schiene zwingen will. Am Gotthard habe sich die Zahl der Lastwagendurchfahrten von 80 Lastwagen bei Eröffnung des Tunnels 1980 auf 2280 Brummis (1991) vervielfacht. «Doch der Alpenraum ist sehr empfindlich, Schädigungen wirken sich früher und drastischer aus und sind schlechter reparabel», so Brunner.

Das Eröffnungsvotum der Diskussion hatte der Gast aus dem nördlichen Nachbarkanton, Gerold Bührer, FDP-Nationalrat und Mitglied der Konzernleitung von Georg Fischer. Bührer sagte, nicht jeder Gegner der Initiative sei zugleich ein Naturgegner und Alpenhasser. Auch ihm liege am Schutz der Alpen, die Liberalen wollten diesen aber mit anderen Mitteln erreichen — mit technischem Umweltschutz, verbrauchsärmeren Motoren beispielsweise, denn das Verkehrsaufkommen lasse sich mittelfristig nicht stoppen. Bührer meinte, Zwang sei die falsche Art, die Güter auf die Schiene zu bringen: «Die Liberalen bevorzugen marktwirschaftliche Anreize.» Ausserdem wecke die Initiative bei den verkehrsgeplagten Urnern falsche Hoffnung, indem sie auf einen Sündenbock, den Transitverkehr, losgehe. Jedoch seien nur 4 oder 7 Prozent (je nach Studie) der Lastwagenfahrten zum Transit zu zählen.

Reale Bedrohung der Urner

Verena Diener, Nationalrätin der Grünen, antwortete, sie nehme die Angst der Urner ernst, die Bedrohung durch die übertriebene Mobilität erscheine einem N1-Anwohner als sehr real. Ausserdem sei Angst ein gutes Alarmsystem, welches notwendiges Handeln auslöse.

Heute würden 50 Prozent der Anzahl Sendungen auf der Strasse abgewickelt. Wenn man die Verteilung nach Gewicht aufrechne, erhalte man ein verzerrtes Bild, weil die Bahn vor allem schwere Güter, auf der Strasse leichtere transportiert würden. Diener wollte wissen, wie denn die «marktwirtschaftlichen Anreize» bezahlt werden sollten, wenn doch heute schon jeder verladene Lastwagen mit 500 Franken subventioniert werden müsste: «Mit dieser Preispolitik ruinieren wir die SBB.» Gegen die Dumpingpreise der auf den Markt einbrechenden Transporteure aus dem Osten habe die SBB keine Chance; der volkswirtschaftlich bessere Weg sei, die Strasse zu verteuern, welche schliesslich den grösseren Energiebedarf habe. Überdies drohe die Milliardeninvestition für die Neat ohne Alpeninitiative zum Finanzdebakel zu werden. An den technischen Umweltschutz glaubt Diener nicht, es gebe noch kein technisches Mittel, den CO2-Ausstoss zu reduzieren: «Der Kanton Uri kann die Luftreinhalteverordnung nie einhalten!»

Initiative verstösst gegen Verkehrsabkommen

In der Diskussion mit dem Publikum ging es um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Initiative: «Die ‹Alpeninitiative› verstösst durch die Zwangsmassnahmen gegen Artikel 16 des Verkehrsabkommens mit der EU», argumentierte Bührer, könnte also rechtlich angefochten werden. Die Annahme würde von der EU sehr schlecht aufgenommen und bei den bilateralen Verhandlungen als «unfreundlichen Akt» aufgenommen. Dies sei, gerade in der Rezession, äusserst schlecht für den Wirtschaftsstandort Schweiz. «Wir brauchen ein Wachstum von 2 Prozent, denn ohne können wir keinen Umweltschutz finanzieren!» Verena Diener konterte, die Alpeninitiative würde genau das richtige Signal nach Europa schicken: «Schliesslich gibt es die Absichtserklärung im Verkehrsabkommen, die Güter auf die Schiene zu kriegen und irgendwann muss man damit anfangen.» Daneben tangierten sich Verkehrsabkommen und Alpeninitiative gar nicht, weil letztere erst dann in Kraft trete, wenn ersteres auslaufe.

Abschliessend konnten die beiden Politiker noch etwas «fundamentaler» werden – und kamen sich in ihren Positionen am Ende ziemlich nahe. Beide sprachen sich dafür aus, dass die dezentralisierte Produktionsweise mit den vielen Transporten langfristig überwunden werden müsse. Verena Diener würde das mit einer Verteuerung der Mobilität erreichen, Gerold Bührer setzt grosse Hoffnungen in die Möglichkeiten der modernen Telekommunikation.

Das zweite Thema, das Referendum gegen das Luftfahrtgesetz, wurde nur kurz angeschnitten. Hier überzeugte Dieners Argumentation, es sei unzulässig, das im Bestreben um ein verkürztes Genehmigungsverfahren, das Bundesamt für Zivilluftfahrt gleichzeitig zur beantragenden und entscheidenden Stelle gemacht werde. Sie könnte sich damit anfreunden, dass die drei nationalen Flughäfen einfacheres Verfahren erhielten, dass man den Privatflughäfen dieses auch zubillige, sei falsch.

Die nächste öffentliche Veranstaltung des «Komitees Ja zur Alpeninitiative» findet am Freitag, 11. Februar 1994 in der Aula Stumpenboden in Feuerthalen statt. Nationalrat Hans Steiger (sp) wird zum Thema «Warum die Alpeninitiative auch für die Bevölkerung des Kantons Zürich wichtig ist» referieren.

Quelle: Der Landbote, Donnerstag, 3. Februar 1994

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Thema: Alpen-Initiative
Nr: 55
Ausgabe: 94-28
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